29.06.2007
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Reichen zwei Triebwerke auf Langstreckenflügen? |
„4 for longhaul“ (4 für die Langstrecke) Mit diesem Slogan machte die britische Fluggesellschaft Virgin Atlantic bis vor Kurzem auf ihren Triebwerken Werbung. Sie bezog sich darauf, dass alle Flugzeuge der Gesellschaft mit vier Triebwerken ausgestattet sind. Der Slogan wurde entfernt und kurz darauf folgte Virgin dem Trend der Airline – Industrie und bestellte ein zweistrahliges Flugzeug. Mit der Boeing 787 „Dreamliner“ sollen nun sogar noch längere nonstop Verbindungen von London nach Hawaii und Australien angeboten werden. Doch wie sicher ist es eigentlich lange Strecken z.B. über die Ozeane mit nur zwei Triebwerken zu fliegen? Wie hoch ist die Gefahr, dass eins oder sogar beide Triebwerke ausfallen und was passiert dann?
Komplexe Technik
Flugzeugtriebwerke sind sehr komplexe und stark beanspruchte Maschinen. Um die Forderungen nach geringem Treibstoffverbrauch, wenig Schadstoffemissionen und niedriger Lärmentwicklung zu erfüllen sind im Betrieb extrem hohe Drehzahlen und Temperaturen nötig. Viele Triebwerksteile sind Verschleißteile und ein zuverlässiger sicherer Flugbetrieb setzt daher eine regelmäßige sorgfältige Wartung voraus. Dennoch sind Treibwerksausfälle möglich und passieren auch. Ursache hierfür können auch äußere Einflüsse wie z.B. Vogelschlag sein. Was passiert dann?
Ein Testfall für die Sicherheitskultur
Zunächst erst einmal Entwarnung. Es besteht keine akute Gefahr. Alle zivilen Verkehrsflugzeuge müssen bei der Zulassung nachweisen, dass sie sich in jeder Flugphase nach einem Triebwerksausfall in der Luft halten können. Der kritischste Moment hierfür ist kurz nach dem Start, wenn das Flugzeug noch vollgetankt ist und das Fahrwerk und die Klappen zusätzlichen Luftwiderstand erzeugen. Zweistrahlige Flugzeuge sind also auch mit nur einem Triebwerk voll flugfähig. Allerdings führt der einseitige Schub durch nur ein Triebwerk zu erhöhtem Treibstoffverbrauch. Das Flugzeug sollte also landen, auch wegen der Gefahr eines weiteren Ausfalls. Die Entscheidung hierfür liegt aber im Einzelfall beim Piloten. Eine Zwischenlandung oder ein Startabbruch verursachen Verspätungen, unzufriedene Passagiere und Kosten. Ein echter Testfall für die Sicherheitskultur der Airline. Doch was passiert, wenn doch noch das zweite Triebwerk ausfällt?
Strenge Regeln
Auch dann fällt das Flugzeug nicht gleich vom Himmel. Verkehrsflugzeuge haben gute Segeleigenschaften und können je nach Flughöhe und Wetter bis zu 200 km weit gleiten. Der nächste Flughafen sollte also nicht allzu weit entfernt sein. Und genau hier liegt das Problem bei Ozeanüberquerungen. Grundsätzlich dürfen zweistrahlige Flugzeuge sich daher nie weiter als 60 Flugminuten von einem Ausweichflughafen entfernen. Ausnahmen sind in den ETOPS (Extended-range Twin-engine Operational Performance Standards) festgelegt, die es inzwischen fast allen modernen Jets erlaubt teilweise sich teilweise bis zu 207 min vom nächstgelegenen Flughafen zu entfernen. Diese schreiben z.B. besondere Wartungsmaßnahmen vor. Und die Triebwerke weisen konstruktive Modifikationen auf um die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Es soll ein Triebwerksausfall pro 100.000 Flugstunden erreicht werden. Ein Totalausfall wird damit rechnerisch fast ausgeschlossen.
ETOPS kompakt
- Einzelne Flugzeugtypen (z.B. Airbus A320) sind für ETOPS zertifiziert. Will eine Fluggesellschaft ETOPS Flüge durchführen muss sie selbst noch zusätzlich dafür zugelassen werden.
- ETOPS gibt es für 120 min Entfernung zu möglichen Ausweichflughäfen (reicht für Transatlantik – Flüge) und 180 min Entfernung. Für Flüge zwischen den USA und Australien wurde ETOPS auf 207 Minuten erweitert. Damit sind 95% der Erdfläche erreichbar.
- Für die ETOPS Zulassung sind auch zusätzliche Maßnahmen wie das Mitführen eines Defibrillators, oder zusätzliche Feuerschutzmaßnahmen erforderlich
- Eine Boeing 777 flog über dem Pazifik 193 min mit einem Triebwerk bis zum Ausweichflughafen und landete sicher
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